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Schreiben als Insel im Ozean des Mutterseins

Früher packte mich die Muße manchmal ganz entschieden und zog mich an mein Notizbüchlein, an den Laptop, an ein Blatt Papier. Da waren Worte, die geschrieben werden wollten, die gehört werden wollten von mir selbst, und manchmal auch Worte, die hinaus in die Welt wollten. Ich saß, meist abends oder nachts, da und brauchte nicht viel mehr zu tun, als sie aufs Papier, in die Tastatur fließen zu lassen. Die Zeit und den Raum hatte ich, die dunkle Nacht gehörte mir.

 

Heute bin ich Mama und die Sehnsucht zu schreiben schlummert immer noch in meiner Seele, sie bäumt sich manchmal auf, zieht an mir, wispert in meinen Träumen, hüllt mich ein, wenn ich für einen Moment die Augen schließe und mich - alleine - am Laptop oder im gemütlichen Lesesessel sehe, mit einer Tasse Tee neben mir, das Büchlein, ein Stift. Doch dann öffne ich wieder die Augen für das, was ist, und da ist immer etwas, das gerade wichtiger ist, das meine ungeteilte Aufmerksamkeit einfordert.

 

Dieses kleine Wesen, das nun in meinem Leben ist, wächst so langsam heran und wird, in kleinen Schritten, selbständiger und gleichzeitig auch willensstärker und fordernder. Die Nacht, sie gehört nun nicht mehr mir alleine. Da ist die Müdigkeit des Tages, die mich, wenn der Kleine schläft, auf die Couch lockt. Da ist der Kleine, der aus dem Schlaf aufschreckt und im Arm gehalten werden möchte. Da ist wenig Raum, wenig Zeit und alles ist unberechenbar und fremdbestimmt.

 

Und dennoch: auch ein paar Worte, wenige Sätze, einmal durchatmen, für einen Augenblick in die Seele lauschen und das aufs Papier bringen, was gesagt werden möchte, dies kann ein neues Ritual werden. Wie Zähneputzen. Genauso wichtig. Seelenhygiene sozusagen. Eine winzige Insel selbstbestimmter Me-Time im Ozean des Mutterseins.

 

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