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Die Weichen stellen: Welchen Weg gehst du?

Viele Menschen begeben sich nun auf den Weg nach innen. Sie lauschen ihrem Herzen und richten ihre Aufmerksamkeit auf das, was in ihnen liegt und nach außen in die Welt gebracht werden möchte. Sie entdecken, dass es noch mehr und Größeres in ihnen und in der Welt gibt, als das, was sichtbar ist, was wir anfassen und mit unserem Verstand begreifen können. Sie entdecken etwas, das man die seelische oder spirituelle Dimension nennen könnte. Es ist eine Entdeckungsreise zu sich selbst.

 

Auf diesem Weg gibt es viele Lehrer, Bücher, Workshops, Ausbildungen, die uns begleiten können. Und oft bedarf es eines Impulses von außen, um den nächsten Schritt zu erkennen, um Blockaden zu lösen, den Mut zu finden, Würdigung zu erhalten. Und wie es viele Wege gibt, die nach Rom führen, so gibt es unzählige Wege, die zu uns selbst zurückführen. Das, was für den einen richtig und stimmig ist, muss es nicht für den anderen sein. Und manchmal bedarf es auch erst des einen Zugangs, bevor man bereit ist für einen anderen. So ging es mir zum Beispiel mit Yoga. Meinen Weg zur Yoga-Praxis fand ich zunächst rein über den Körper und erst später entdeckte ich die innere, ganzheitlichere Dimension darin. Der erste Teil des Weges, als Yoga einfach eine wohltuende Körperarbeit war, war dennoch wertvoll. Die rein körperliche Herangehensweise war quasi der Türöffner und bildete die Basis für alles, was danach folgte: die subtilere Wahrnehmung der feinstofflichen Dimension und das tiefere Verständnis, das sich mit der Zeit entwickelte.

 

Es geht also nicht darum zu sagen, dass der Weg „falsch“ ist, wenn jemand beispielsweise den Zugang zu Yoga nur über den Körper findet oder den Zugang zur Meditation rein über den Verstand. Dies sind meist die einzigen Zugänge bzw. „Türen“, die wir in unserer aktuellen Lebenssituation sehen und öffnen können. Und erst wenn wir mutig durch diese Türen gegangen sind und ein bisschen mit dem Weg vertraut sind, entdecken wir, dass der Weg sich allmählich weitet und viel mehr Aspekte umschließt, als uns bewusst war. Oft ist das, was uns tatsächlich gerufen hat, nicht das, was auf der ersten Türe stand. Und gleichzeitig war diese Türe damals genau die richtige und einzige für uns, um überhaupt den Raum und den Weg dahinter betreten zu können.

 

Dennoch gibt es meiner Ansicht nach eine wichtige Stelle, an der wir genau hinschauen sollten. Welche Türe wir als Einstieg wählen, ist dabei, wie gesagt, nicht so entscheidend, weil für uns zunächst meist nur diese eine Türe sichtbar ist. Allerdings gibt es auf dem Weg dahinter eine Weiche, die wir stellen können. Sie wirkt auf den ersten Blick vielleicht sehr unscheinbar und irrelevant, da es zunächst so scheint, als würden die Gleise nach dieser Weiche eigentlich in dieselbe Richtung weiterführen. Doch dies ist ein Irrtum. Sie bringen uns letztlich zu zwei grundverschiedenen Orten. So klein und subtil diese Weichenstellung auch sein mag, so grundlegend und allumfassend anders ist sowohl die Art wie auch die Ausrichtung unseres Wegs.

 

Wir befinden uns jetzt am Beginn einer neuen Zeit. Es ist eine Zeit, in der wir uns noch am Alten orientieren können, an dem, was in den letzten Jahrtausenden hauptsächlich von Männern über Spiritualität, Meditation und Bewusstsein gelehrt wurde. Es ist aber auch eine Zeit, in der wir uns dem Neuen anschließen können, das gerade kraftvoll zurückkehrt. Es ist eine neue und gleichzeitig uralte Art der Spiritualität, die keine Gurus und Glaubenssysteme benötigt, sondern die einen unmittelbaren persönlichen Zugang erlaubt, über die eigene innere Stimme, über den Körper und die Gefühle.

 

An dieser Schwelle stehen wir jetzt als Menschheit. Und diese Weiche liegt vor vielen Menschen, die sich jetzt auf den Weg machen. Es gibt kein Richtig und kein Falsch, und dennoch möchte ich dazu einladen, genau hinzuschauen und immer, immer, immer der eigenen Stimme das Vorrecht zu geben. Wir sind es gewohnt, zu Weisheitslehrern aufzuschauen, die ihre Lehren in Programme, Systeme und feste Strukturen gegossen, mit ehrfurchteinflösenden Begriffen versehen und durch neurowissenschaftliche Studien belegt haben. Dabei gibt es nur eins, das wichtig ist: sich Zeit zu nehmen, um auf die eigene innere Stimme zu lauschen, und wieder zu lernen, der unermesslichen Weisheit der eigenen Intuition zu vertrauen.

 

Die Unterschiede zwischen den zwei Wegen mögen sehr subtil erscheinen und sind doch so grundlegend anders. Es macht einen Unterschied, ob man bestimmte Dinge und Übungen tut, um irgendwann etwas Bestimmtes, vielleicht einen perfekten Zustand, zu erreichen – oder ob man sich hinsetzt und sich erlaubt, im Hier und Jetzt ganz da zu sein, also auch mit allen Schwierigkeiten und ungelösten Dingen im Herzen und im eigenen Leben. Wenn wir uns erlauben, dass alles da sein darf, dass wir einfach sein dürfen in all unserer Unperfektheit, dann sind wir erfüllt von Freundlichkeit, Akzeptanz und Mitgefühl für uns selbst, für andere Menschen und für unser ganzes, manchmal sehr chaotisches und widersprüchliches, menschliches Sein.

 

Es macht einen Unterschied, ob man sich auf Ziele ausrichtet und diese durch positive Affirmationen und Visualisierungen zu erreichen versucht – oder ob man sich hinsetzt, in die Stille der eigenen Seele lauscht und von dort das aufsteigen lässt, was dem tiefsten Wesenskern tatsächlich entspricht. Wir folgen so dem Ruf unserer tiefen inneren Weisheit, die uns zur richtigen Zeit zu den Orten, Menschen und Tätigkeiten führt, wo wir sein sollen. Es können Dinge entstehen, die im Einklang mit unserer Lebensaufgabe sind und die wir uns selbst in unseren kühnsten Träumen mit unserem kleinen Verstand nie hätten ausmalen können.

 

Es macht einen Unterschied, ob man versucht, sich gleichmütig über alle Schmerzen und alles Leid des menschlichen Lebens und aus dem Körper heraus zu erheben und sich nur auf die Ausbreitung seines Geistes im leeren Raum zu konzentrieren – oder ob man sich erlaubt, zunächst völlig in den Körper hineinzusinken, ihn wirklich zu fühlen und zu bewohnen, die Kraft, die Erdverbundenheit, die Lebendigkeit zu spüren, bevor von diesem körperlichen Gewahrsein aus die Wahrnehmung weit wird und alles – auch unsere emotionale, geistige, seelische Ebenen – mit einschließt. Wir haben uns als Seele für dieses menschliche Leben entschieden, weil wir auf der Erde im Körper Erfahrungen machen und Entwicklungen durchlaufen können, die in einer rein seelischen Dimension nicht möglich sind. Wir wollten das menschliche Leben in all seinen Aspekten erleben. Und ja, dabei haben wir vergessen, dass wir geistige und seelische Wesen sind. Deshalb ist es die Aufgabe in unserem Leben, uns dessen wieder gewahr zu werden – allerdings aus einem gut geerdeten, angebundenen Körper heraus. Wir sind hier, um unseren Körper zu bewohnen und uns gleichzeitig aller anderer Aspekte bewusst zu werden, die emotionale, geistige, seelische Ebene zu integrieren, diese Erfahrungen zu erden, ganz Mensch bzw. ein ganzer Mensch zu werden.

 

Es macht einen Unterschied, ob man sich nur auf sogenannte positive Energien und Emotionen oder auf „das Licht“ ausrichtet, um seine Schwingung oder Frequenz zu erhöhen – oder ob man anerkennt, dass beides in uns und in der Welt wohnt, Licht und Schatten. Wenn wir uns erlauben, auch die vermeintlich schwierigen Gefühle wie Angst, Wut, Trauer, Scham zu fühlen und als Teil von uns zu sehen, wenn auch unsere Schmerzen und Wunden liebevoll ihren Platz in unserem Herzen, Körper und Leben bekommen dürfen, wenn wir immer wieder freundlich den Blick auf das Schöne in unserem Leben richten, aber eben auch den Schatten einladen, wenn er anklopft, ohne ihn an uns zu ketten, dann kann Integration und Heilung geschehen. Wenn alle Teile integriert werden, fühlen wir uns vollständig und in Balance. Ohne Teile von uns mühsam abspalten oder kleinhalten zu müssen, kann sich Leichtigkeit und Gelassenheit einstellen. So können wir uns zum Beispiel plötzlich gelassen und dankbar fühlen oder wir können aus dem Herzen heraus verzeihen, ohne dass wir uns dies mit dem Verstand vorgenommen hätten und uns schlecht fühlen müssen, weil es uns nicht so richtig gelingt. Wir können den Nährboden und den Rahmen für unsere Gefühle und Gedanken schaffen, wir können immer wieder unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Gefühle und Gedanken richten, aber wir können sie nicht erzwingen. Letztlich ist es eine Gnade, ein Geschenk – so wie wir Samen setzen und uns um ihr Wohlergehen kümmern, letztlich aber nicht kontrollieren können, wann und wie sie aufgehen und wachsen. Wenn wir uns bemühen, alle Aspekte in uns willkommen zu heißen, und dabei die Demut behalten, dass wir nicht alles kontrollieren können, dann leben wir im Einklang. Im Einklang mit dem Universum, mit unserem Herzen, mit unserem authentischen Selbst.

 

Es macht einen Unterschied, ob man einen Punkteplan oder ein bestimmtes Programm mit verschiedenen Levels absolviert, um dadurch Erleuchtung oder etwas anderes zu erreichen – oder ob man anerkennt, dass der Weg des Wachstums nicht geradlinig und planbar, sondern spiralförmig, zyklisch und mystisch ist. Wir können Schritte gehen, doch das Leben wird dafür sorgen, dass wir manchmal vermeintlich nicht vorankommen, obwohl sich im Verborgenen viel entwickelt. Dass wir manchmal große Durchbrüche haben und dennoch plötzlich wieder an derselben Weggabelung stehen, die wir meinten, bereits hinter uns gelassen zu haben. Allerdings ist diesmal unser Rucksack besser gepackt, wir haben mehr Wissen und Fähigkeiten, um nun etwas in der Tiefe besser verstehen oder lösen zu können. Die Wege zurück zum Selbst sind verschlungen – und führen uns dennoch genau da hin, wo wir sein sollen. Wir können unseren Teil tun und unsere Schritte gehen, und gleichzeitig sollten wir anerkennen, dass wir auf die größere Weisheit des Universums oder unserer Seele vertrauen dürfen – auch in Phasen, die sich chaotisch und unklar anfühlen. Unsere Seele kennt den Weg, besser als unser Verstand oder das Trainingsprogramm eines Life-Coaches.

 

Es macht einen Unterschied, ob man die Verantwortung für sein Wachstum in die Hände von jemand anders legt, weil dieser Mensch durch sein Studium, durch seine Ausbildung oder Erfahrung schon wissen wird, was zu tun ist – oder ob wir lernen, wieder mit unserer inneren Weisheit in Kontakt zu kommen und ihr zu vertrauen. Ob wir lernen, Verantwortung für unser Leben und unseren Wachstumsprozess zu übernehmen. Alles, was andere uns von außen raten und was in Resonanz mit unserer inneren Stimme geht, ist gut und richtig für uns. Wir dürfen Hilfe annehmen, Übungen, Rituale oder auch Punktepläne befolgen, solange es sich stimmig für uns anfühlt und wir nicht vermittelt bekommen, abhängig und dauerhaft auf die Hilfe, die Expertise oder das System einer anderen Person angewiesen zu sein. Auch wenn wir unsere Intuition wiederentdecken und lernen wollen, ihr zu vertrauen, brauchen wir in manchen Phasen Begleitung. Trotzdem behalten wir die Verantwortung für unseren Weg – denn nur wir wissen wirklich, was unser ureigener Weg ist.

 

Wenn wir also mutig durch die erste Türe hindurchgegangen sind und uns für den Weg zurück zu uns selbst entschieden haben, dann sollten wir gut hinschauen und auf diese Weichenstellung achten. Meist steht die Weiche so, dass wir, ohne uns bewusst dafür zu entscheiden, den Weisheitslehren der letzten Jahrtausende folgen, was meist ein Weg ist, der (manchmal sehr subtil, deshalb lohnt sich genaues „Reinspüren“) durch eine einseitige Berücksichtigung von eher männlichen Qualitäten wie Disziplin, Hierarchie, eine starke Betonung des Geistigen und eine Vernachlässigung des Körperlichen und der Emotionen sowie generell durch die Dichotomie „gut/schlecht“ bzw. „gewünscht/unerwünscht“ gekennzeichnet ist. Jetzt allerdings befinden wir uns in einem Zeitfenster, in dem es leicht ist, die Weiche umzustellen und einen neuen bzw. uralten spirituellen Weg einzuschlagen, der den eher weiblichen Qualitäten wieder mehr Wertschätzung entgegenbringt und sie mit den männlichen Prinzipien vereint. Es ist ein Weg, der geprägt ist von Mitgefühl, wohlwollender Freundlichkeit und Vertrauen, von Inklusion und Kooperation, von Erdung und Fülle, von Heilung und Integration, der Wertschätzung des Körpers und der Emotionen, von Selbstermächtigung, Authentizität und Lebendigkeit, von innerer Weisheit und Intuition.

 

Es gibt kein Richtig und kein Falsch, und manche brauchen, wie ich beim Yoga damals auch, überhaupt irgendeinen Zugang zu dieser neuen Lebenswelt, bevor sich etwas entfalten kann und man mehr Überblick und innere Klarheit bekommt. Dennoch möchte ich laut in die Welt hinausrufen: Es gibt diese Weiche (endlich wieder) – und sie ist wichtig! Heute so sehr wie noch nie zuvor. Vielleicht erscheinen die Unterschiede immer noch minimal, vielleicht sieht es so aus, als wären es nur unterschiedliche Formulierungen für ein und dasselbe. Dem ist nicht so. Schau hin, immer wieder aufs Neue, und werde dir bewusst, ob du noch auf dem Weg bist, der für dich stimmig ist. Falls nicht, kannst du jederzeit die Weiche umstellen. Es ist einfacher, als du denkst. Es fühlt sich nach Nach-Hause-Kommen an. Es ist ein kleiner Schritt, den du jetzt tust – mit einer großen Auswirkung. 

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